Bildübergabe im Stadtmuseum Münster, 6.4.2006

Der „Zeitungsverkäufer“ kommt in das Stadtmuseum Münster
6. April 2006

Vortragsstichworte und Quellenangaben
„Die historische Figur des Zeitungsverkäufers“

Aktuell:
Gründung der Initiative „Historisches Zeitungsviertel Berlin“:

Faltblatt und Rundbrief tragen als zentrales Motiv das Foto (Quelle. Ullstein / Unter-
nehmensarchiv Axel Springer AG) eines Zeitungsverkäufers aus den zwanziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts mit Schirmmütze und B.Z.-Emblem, 10 Ullstein-Titel in der Hand
oder an seinen Taschen befestigt

Geschichte:



Holzschnitt von 1631 „Zeitungsverkäufer“ bei Ausrufen einer „Relation“.
Quelle: Günter Kieslich: Werbung in alter Zeit. Essen 2. Auflage1965, Abb. 22

Newe Zeitungen / Flugblätter / unperiodische Bilderbogen / aktuelle Kleindrucke zu Kriegs-
und Friedenshändeln, Unwettern, Missgeburten

Zeitungsvertrieb:
Definition der Zeitung: „Druck vor Vertrieb“
Zeitungsverkäufer: muss sich seine Kunden suchen
Zeitungsbote: stellt morgens zu und kassiert einmal pro Monat für das Abonnement

Briefmarkenserie 1969:
in Berlin (West) zum Thema „Berliner des 19. Jahrhunderts“, dort vertreten Drosch-
kenkutscher, Schuster, Schmied, Schusterjunge, Pferdeomnibuslenker – und: Zeitungs-
verkäufer (Vorlage: C.W. Allers 1889) mit einem Sortiment vieler Titel

Zeitungsverkäufer als Bildmotiv:
Bei Rainer Laabs: Nicht nur für den Tag. Vier Jahr- hunderte Zeitungen in der Kunst.
Berlin 1982 allein 12 Bilder mit Zeitungsverkäufern als Motiv

Aufkommen der Massenpresse:
Boulevardzeitungen
Straßenverkaufszeitungen als Gattungsbezeichnungen

In eigener Erinnerung:
1946-1949 aus Deggendorf; dazu Zitat: Der Fröschl-Sepp, Zeitungsverkäufer. Saubere
Tricks und Kleinstadt- Skandale. In: Helmut Gärtner: Deggendorfer Originale – Originelles
Deggendorf. Grafenau 1995, S. 42-44

Start über Zeitungsverkäufer:
„10-Pfennig-Bild-Zeitung“ 24. Juni 1952
Auflage 1982: 5,4 Mio, 2005 3,6 Mio Stück

„Welt am Sonntag“ 1. August 1948

„Bild am Sonntag“ 29. April 1956

Bemühungen Springers um Einführung einer 15- Pfennig-Münze

Kaufzeitung:
Niedergang des Boulevardjournalismus schlägt sich in Terminologie nieder: der Begriff der
Kaufzeitung setzt sich durch

Der Zeitungsverkäufer:
verschwindet in Deutschland aus dem Straßenbild: Vertriebsform ist als Dienstleistung zu
teuer, Übertragung steigender Kosten im Zeitungsmarkt sehr schwierig

Vertriebswege:
steigende Mobilität führt zu neuen Vertriebswegen
„stumme Verkäufer“: rechtliche und wirtschaftliche Problematik

„immobile Verkäufer“: überall in Wien auf den Bahnstationen anzutreffen, wo sie eine
Vielzahl von Titeln auf dem Boden bereithalten

„mobile Verkäufer“: nutzen den Autostau sowohl in Salzburg wie in Sao Paulo zum An-
bieten von Presseerzeugnissen

Absatz heute:
im wesentlichen über Verkaufsstellen des Einzelhandels für Presseerzeugnisse: ohne
Buchhandel und Bahnhofsbuchhandel 2006 insgesamt 118 830 Verkaufsstellen in
Deutschland

Exkurs:
Zeitungswettbewerb in Berlin bringt eine Vielzahl von Zeitungsverteilerinnen und
–verteilern hervor, die die Titel scheinbar verschenken, dann aber den Bestellblock ziehen

Verteilzeitungen:
„Gratisblätter“ brauchen keine Verkäufer mehr; das Verschenken geschieht über Kästen,
aus denen die Titel entnommen werden

Letztes und traurig stimmendes Reservat des Zeitungsverkäufers:
Obdachlosenzeitungen

Aktuell:
„FR am Abend“ wird im Straßenverkauf als Zeitung des Folgetages mit eigener aktueller
regionalisierter Seite 1 angeboten, nach Aussage des Verlages „für Pendler und Nacht-
schwärmer“

Und bleiben wird – solange es noch Zeitungen gibt – der Verkauf von Vorabendausgaben
der Großstadtzeitungen in Gaststätten und Restaurants

Prof. Dr. Walter J. Schütz

 
         
         
         
         
         
         
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